Tanzen im Fokus der Wissenschaft

 

„Regelmäßiges Tanzen bringt Körper und Geist in Schwung, stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und reduziert sogar das Demenzrisiko“, so Musikwissenschaftler Prof. Gunther Kreutz von der CvO-Universität Oldenburg.

 

Spätestens seit der medialen Aufbereitung zum Thema Tanzen durch Sendungen wie „Let’s dance’ oder ‚Got to dance’ hat sich sicherlich das allgemeine Meinungsbild zum Thema Tanzen verändert. Galten speziell männliche Tänzer früher schnell als ‚weibisch’, zeigten die TV-Sendungen doch klar und deutlich, was Tanzen wirklich ist: Ganzkörperliches Fitness-Training, das viel Schweiß kostet, aber ebensoviel Spaß bringt. Professionelle Tänzer ‚schweben’ immer scheinbar über das Parkett, alles sieht ganz leicht aus. Aber ist es das auch? Probieren Sie es selbst doch einmal aus. Tanzen ist richtiger Sport, bei dem man zudem gehörig ins Schwitzen gerät. Um nur ein Beispiel zu benennen: Ein einziger Quickstep über 1,5 Minuten durchgetanzt, entspricht konditionell einem 400 m Lauf!


Selbst Medizin und Neurowissenschaften konnten sich dem Thema Tanzen mit all seinen positiven Auswirkungen nicht länger verschliessen. In der Medizin wird Tanzen zunehmend als Instrument zur Therapie und Intervention bei Bewegungsstörungen wie beispielsweise bei Parkinson oder nach Schlaganfällen genutzt. In der Musiktherapie ist schon lange bekannt, dass Tanzen Menschen helfen kann, sich auszudrücken. Durch die Bewegung zur Musik lösen sich Spannungen von Körper und Seele. Studien der RU-Bochum haben zudem gezeigt, dass Tanzen eine der besten Maßnahmen ist, um Alzheimer vorzubeugen, denn man braucht sowohl Logik als auch Kreativität, um Schrittfolgen sicher aufs Parkett zu bringen. Gleichgewicht, Orientierungssinn und Improvisatiosfähigkeit werden ganz nebenbei geschult. Das Erlernen von Schrittfolgen und Kombinationen stellt darüber hinaus eine beträchtliche Herausforderung für das Gehirn dar. Allein in einem Gemenge von Tanzpaaren die räumliche und musikalische Orientierung zu behalten, stellt besondere Anforderungen an Körper und Geist dar. Die Musik, der Raum, die Bewegung und Koordination mit dem Partner bilden eine sehr komplexe Mischung aus Informationen, die in Echtzeit konzentriert verarbeitet werden müssen.
Außerdem wirkt sich Tanzen konkret auf viele Bereiche unseres Körpers aus. Durch die Bewegung verbessert sich die Funktion der Muskelzellen, Sehnen und Bänder werden kräftiger, die Beweglichkeit der Wirbelsäule wir erhöht. Alle Organe werden leistungsfähiger. und die Fettverbrennung wird nicht unerheblich angekurbelt. Zudem erhöht Tanzen die Anzahl der Killerzellen im Immunsystem und stabilisiert somit die Abwehrkräfte des Körpers. Außerdem wurde nachgewiesen, dass Tanzen das Lernvermögen und das Gedächtnis verbessert und das bis ins hohe Alter hinein.

Macht Tanzen aber wirklich glücklich?
Durch die tänzerische Bewegung steigt die Serotoninproduktion und die Freisetzung von Endorphinen. Das macht erstmal glücklich. Darüber hinaus wird aber auch das Kreativitätshormom ACTH vermehrt produziert. Der Körper entspannt sich und der Geist wird hoch leistungsfähig. Überdies sind Tänzer nachweilich Menschen, die Probleme kreativer lösen als andere, da sie es gewöhnt sind, ihre rechte kreative Gehirnhälfte einzusetzen.

Tanzen hebt nicht nur die Laune, sondern auch den Hormonspiegel.
Die kolumbianische Psychologin Cyntia Quiroga dass Tangotanzen einen direkten Einfluss auf die Ausschüttung von Stress- und Sexualhormonen hat. Das mit Stress vebundene Hormon Cortisol nimmt beim Tanzen ab, während der Körper beider Tanzpartner vermehrt das Sexualhormon Testosteron ausschüttet. Aber erst bei Bewegung und im Kontakt mit einem Tanzpartner fallen die hormononellen und emotionalen Reaktionen sehr stark aus. Wahrscheinlich ist davon auszugehen, dass dies nicht nur beim Tangotanzen so ist…
Prof. Gunter Kreutz, Musikwissenschaftler der Universität Oldenburg bringt es auf den Punkt: „ Man könnte meinen, dass das Tanzen manchen Menschen in die Wiege gelegt ist. Aber: Es gibt sicherlich größere und kleinere Talente. Aber Tänzer sind wir letztendlich alle und teilen auch die Fähigkeit, durch Tanzen Glück zu empfinden und Spaß zu haben.“

Und genau darum geht es. Es kommen zwei Dinge zusammen: Bewegung und soziales Miteinander. Tanzen bietet die ideale Balance zwischen Nutzung vorhandener Fitness, und der Notwendigkeit, Neues zu erlernen. Wo man das letztendlich ausübt, ist nur eine Frage der Recherche. Tanzschule, Tanzclub, VHS… die Möglichkeiten sind vielfältig.

Und was ist mit dem Klischee, dass Frauen scheinbar lieber tanzen und es viel zu wenig tanzende Männer gibt? Oberflächlich besehen, scheint das zu stimmen. Aber dann gibt es wiederum Männer, die mit sechs verschiedenen Frauen in unterschiedlichen Tanzkursen tanzen, weil die eigene Frau das vermeintliche Tanz-Gen anscheinend nicht hat. Das gibt zumindest Hoffnung. Aber wem das nicht reicht, der sollte sich vielleicht mal im Netz in einer der zahlreichen Tanzbörsen umschauen.

Abschließend: „ Die körperlichen und geistigen Anforderungen des Tanzens scheint langfristig das Gehirn zu schützen“, so Prof. Kreutz. „Doch auch bereits Erkrankte können durch Tanzen beweglich bleiben und auf dem Parkett Momente voller Genuss und Enthusiasmus erleben“, so der Wissenschaftler.

Alles schön und gut – aber was, wenn man gar nicht tanzen kann? Diese Ausrede gilt nicht. Sogar Neugeborene reagieren auf musikalische Taktschläge – Rhythmusgefühl scheint uns angeboren zu sein. Wie eng neuronale Verbindung zwischen Wahrnehmung und Bewegung ist, bewies eine Studie, bei der die Hirnaktivität von Tänzern gemessen wurde, während ihre Füße Tangoschritte vollführten. Die registrierte Aktivität umfasst auch Hirngebiete, die für räumliche Orientierung und Erinnerungen verantwortlich sind. Tanzen ist folglich eine vielseitig anregende Tätigkeit. (Gehirn und Geist, 2014)

Quelle: Lokalkompass.de